In der Februarausgabe der Entscheidung des Monats hat sich unsere Kollegin Klaudia Dawidowicz mit einem Beschluss des BGH vom 24.01.2023 (3 StR 80/22) zur Frage der angemessenen Vorbereitungszeit für die Schlussvorträge der Verteidigung befasst.
Vor dem LG Düsseldorf fand eine Hauptverhandlung gegen zwei Angeklagte mit 45 Hauptverhandlungstagen statt. Am dritt- und vorletzten Hauptverhandlungstag ergingen Gerichtsbeschlüsse, mit denen zahlreiche Beweisanträge der Verteidigung abgelehnt wurden und die insgesamt ca. 160 Seiten Begründung umfassten. Trotz angekündigter weiterer Beweisanträge durch die Verteidigung schloss der Vorsitzende die Beweisaufnahme. Nach Ablehnung der Mitglieder des Gerichts durch die Angeklagten wegen der Besorgnis der Befangenheit wurde die Hauptverhandlung am späten Nachmittag unterbrochen. Am folgenden Tag trat das Gericht nach Bescheidung der Befangenheitsanträge wieder in die Beweisaufnahme ein und erhob weitere Beweise. Der Vorsitzende schloss sodann erneut die Beweisaufnahme. Die Verteidigung erklärte, weitere Vorbereitungszeit für die Schlussvorträge zu benötigen und verweigerte nach einem erfolglosen Unterbrechungsantrag das Plädoyer. Die auf die Verurteilungen eingelegten Revisionen der Angeklagten hatten mit der Rüge der Verletzung des § 258 Abs. 1 StPO Erfolg.
Der BGH entschied: Die Nichtgewährung einer nach Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls erforderlichen Zeit für die Vorbereitung der Schlussvorträge stellt einen Verfahrensfehler dar. Das Gericht ist verpflichtet, angemessene Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Verfahrensbeteiligten einen Schlussvortrag in der Weise halten können, wie sie ihn für sachdienlich erachten.
Weitere Einzelheiten zum Sachverhalt, zu den Entscheidungsgründen und zu den Konsequenzen für die Praxis hat die Autorin hier zusammengefasst: